Von Sylvia Reckel (Text und Fotos)
Insektenfreundliche Gärten sind seit einigen Jahren immer wieder Thema, spätestens seit vor einigen Jahren Zahlen zum enormen Rückgang bei landbewohnenden Insekten öffentlich bekannt wurden. Meistens denkt man bei solchen Gärten an spezielle Blühmischungen zum Einsäen. Doch nicht jeder möchte aus seinem Garten eine große Blühwiese aus einjährigen Blumen machen, so dass es, wenn überhaupt, bei wenigen Quadratmetern bleibt, die für die Insekten reserviert sind. Zudem stehen den Insekten die Blüten aus diesen Mischungen meist recht spät im Jahr und nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Zudem werden die wichtigen Randzeiten im Frühjahr oder Spätsommer/Herbst oft nicht abgedeckt.
Für unseren Garten habe ich daher einen anderen Weg gewählt und setze in erster Linie auf insektenfreundliche Stauden, Büsche und natürlich Zwiebel- und Knollenpflanzen. Besonders interessant für die Insektenwelt, aber auch eine Freude für das menschliche Auge ist es, wenn möglichst das ganze Jahr hinweg etwas blüht. Bei mir eröffnet im Januar, manchmal schon Ende Dezember, ein prächtiger Zaubernuss-Strauch (Hamamelis) den Jahreslauf im Garten. Er blüht vor dem Austrieb seiner Blätter am nackten Strauch bis weit in den März hinein. Manchmal liegt zwischendurch Schnee auf seinen gelben duftenden Blüten. Bei stärkerem Frost rollt die Zaubernuss die Blütenblätter einfach ein, um sie zu schützen, und streckt sie anschließend ungerührt wieder aus. Ungefähr zur selben Zeit oder kurz danach öffnen sich ebenfalls am nackten Strauch die Blüten von Duft-Schneeball, Winter-Geißblatt, Winter-Jasmin, Winterblüte und etwas später von der Kornelkirsche. Und es genießt nicht nur das Auge, sondern auch die Nase, denn alle duften herrlich. Ein kleiner Duft-Kick mitten im Winter!
Zaubernuss (Hamamelis japonica)
Wenn die Zaubernuss blüht, ist es für mich Zeit, immer mal wieder zwischen und unter das liegengebliebene Laub auf den Beeten zu schauen. Ob da wohl schon die Schneeglöckchen hervorspitzen? Jeden Tag schauen sie ein klein wenig weiter aus der Erde heraus. Schneeglöckchen und andere frühblühende Zwiebel- und Knollenpflanzen
wachsen sogar bei Frost unter einer Schneedecke weiter. Sie erzeugen wie warmblütige Tiere und der Mensch selber Wärme und können so den Schnee über sich zum Schmelzen bringen.
Schneeglöckchen (Galanthus nivalis)
Viele frühjahrsblühende Zwiebel- und Knollenpflanzen werden mit der Zeit zu ausgedehnten Teppichen im Garten. Sie bilden Tochterzwiebeln und vergrößern so ihre Horste. Und die zuckerhaltigen Anhängsel an ihren Samen schmecken Ameisen und werden von ihnen verschleppt und damit verbreitet. Beispiele dafür sind: Zwerg-Iris, Schachbrettblume, Blaustern, Traubenhyazinthe, frühe Wildtulpen und Winterlinge. Sie alle stellen im Februar/März Nektar und Pollen für die ersten Insekten im Jahr zur Verfügung.
Was, so früh schon? Ja, etliche Insekten starten schon sehr früh ins Gartenjahr. Hummeln beispielsweise fliegen bereits ab +2 Grad Celsius. Es sind die jungen Hummelköniginnen, die überwintert haben und ohne ausreichendes Nahrungsangebot verhungern würden, sobald ihre eigenen Vorräte in ihrem Honigmagen erschöpft sind. Zudem benötigen sie Blütenpollen zur vollen Entwicklung ihrer Eierstöcke, um ein neues Hummelvolk an geeigneten Nistplätzen wie Totholzhaufen, Steinspalten, Mäuselöchern oder alten Vogel-Nistkästen zu gründen. In den „unordentlichen“ Gartenecken sind sie also zu Hause. Mit Gärten, die aussehen wie unsere Wohnzimmer, können Insekten ebenso wie andere Tiere nichts anfangen. Honigbienen starten ab etwa +10 Grad Celsius, also manchmal auch an sonnigen Wintertagen, ihren sog. Reinigungsflug. Da sie während ihrer Überwinterung nicht in ihren Stock koten, müssen sie irgendwann dringend ihre Exkremente entsorgen und sind dann unterwegs auf Nahrung angewiesen. Im Frühling summen sie manchmal in großer Zahl in unseren Elfenkrokussen. Und wenn dann noch die Meisen ihr „Zizidäh“ und die Kleiber ihr „Duuit“ rufen, geht mir das Herz auf! Der Frühling ist da, auch wenn die Temperaturen noch niedrig sind.
Außer frühblühenden Sträuchern sowie Zwiebel- und Knollenpflanzen gibt es verschiedene Stauden, die Honigbienen, Hummeln und andere Wildbienen bei ihrem Frühlingsstart unterstützen können. Im Gegensatz zu einjährigen Sommerblumen sterben bei Stauden die oberirdischen Teile zum Winter hin ab. Die Pflanzen überwintern unterirdisch oder mit einer Blattrosette, treiben im Frühjahr wieder frisch aus und kommen zur Blüte. Beachtet man bei der Pflanzung ihre jeweiligen Ansprüche in Bezug auf Licht, Feuchtigkeit und Boden, hat man viele Jahre Freude an ihnen.
Lenzrosen-Sorten (Helleborus orientalis) mit Narzissen und Kleinem Immergrün (Vinca minor)
Zu meinen liebsten frühblühenden insektenfreundlichen Stauden gehören die Lenzrosen (Helleborus orientalis), die es in vielen Farbschattierungen von hellrosa bis dunkelrot sowie zahlreichen Blütenformen gibt: ausgebreitet, glockig, gerüscht, gefranst. Sie wachsen ausgezeichnet in unserem lehmigen Boden und bilden mit der Zeit prächtige Horste. Wenn man sie lässt, wenn man also die Samen nicht abschneidet und im Garten nicht dauernd hackt und gräbt, vermehren sie sich und kreuzen sich dabei. Es erscheinen also immer wieder neue Form- und Farbkombinationen.
Ein guter Bodendecker im Halbschatten ist das Kleine Immergrün. Es breitet sich gerne aus und ist im Frühjahr je nach Sorte voller blauer oder auch weißer Blütensterne. Andere wunderbare Frühlingsstauden für Insekten sind Schlüssel-blumen, Küchenschellen, Lungenkraut oder Polster-Phlox, den es in vielen Sorten und Farben gibt.
Huflattich (Tussilago farfara)
An einigen Stellen fühlt sich bei mir auch der Huflattich wohl, eine Wildpflanze, die sich „einfach so“ ansiedelt. Als erstes schiebt er nur die strahlend gelben Blütensonnen. Sind sie verblüht, kommen kleine Pusteblumen und Blätter zum Vorschein. An manchen Stellen stören mich später die recht großen Blätter. Ich nehme sie zum Teil dann weg, was der Blühfreude im nächsten Jahr aber keinen Abbruch tut. Ebenso wie das Lungenkraut und später im Jahr der Gundermann ist der Huflattich eine Heilpflanze gegen Husten. Man kann also einen Tee daraus herstellen, indem man Blüten und Blätter trocknet und mit heißem Wasser aufgießt. Auch frisch lassen sich die Pflanzen als Tee verwenden.
Und sonst? Lasse ich oft einen Teil meines im Herbst gepflanzten Grünkohls im Gemüsegarten zur Blüte kommen. Das sieht wunderschön aus und ist eine Wohltat für die Insekten. Ist die Sorte samenecht, kann man anschließend auch noch Saatgut ernten. Und bei uns sieht der Rasen nicht englisch aus und wird auch nicht regelmäßig von einem Mähroboter gemäht. Das führt dazu, dass sich an etlichen Stellen neben Gras auch Wildpflanzen ausbreiten können und er von Gänseblümchen bestickt ist. Sie haben in ihrer Blüte zwar nur verhältnismäßig wenig Pollen und Nektar zu bieten, wachsen aber in größeren Mengen und blühen fast das ganze Jahr hindurch. So können sie in sonst blütenarmen Zeiten für die Insekten eine kleine Rettung sein.