Leben im frühneuzeitlichen Dorf

Rekonstruktionen, wie das Leben im Dorf gewesen sein könnte, lassen sich erst seit dem 16. Jahrhundert anstellen. Im Buch über die Ortsgeschichte Lüdersens und auch in älteren Beiträ-gen von mir, sind insbesondere die so genannten registerförmigen Quellen der frühen Neuzeit ausgewertet. Zu den Althöfen (Meierhöfe) und den spätmittelalterlichen Kötnerstellen traten im Bevölkerungswachstum vom Ende des 15. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts die Bei-bauerstellen hinzu. Diese Beibauern besaßen nur sehr wenig Ackerland und auch meist in Randlage. Sie waren aber an der Gemeinheit beteiligt, also an den Nutzungen der Wald- und Wiesenflächen durch alle Hofstellen. Das Kopfsteuerverzeichnis von 1689 verzeichnet 6 Vollmeierstellen mit ca. 30-40 ha Land, 4 Höfelingsstellen (Halbmeier) mit 12-30 ha, 11 Köt-nerstellen mit 2-10 ha, 18 Beibauernstellen mit 1,5-5 ha.

Diese registerförmigen Quellen, die überlieferten Eheverträge oder Meierbriefe bestätigen die aus anderen Dörfern bekannten Tatsachen. Alle Höfe wurden zu Meierrecht an die Bauern in Lebenszeiterbpacht vergeben. Neben den bereits genannten Abgaben waren Spanndienste (Meier) oder Handdienste (Kötner, Beibauern) für den Landesherrn zu leisten. Nur ein Kind erbte, zumeist der älteste Sohn (Anerbenrecht). Geheiratet wurde oft erst in der Mitte oder am Ende des dritten Lebensjahrzehnts, wenn die Elterngeneration bereits arbeitsunfähig war. Nachgeborene Kinder wurden mit einem Brautschatz ausgestattet, um möglichst in die selbe sozialen Schicht (Bauernklasse) einzuheiraten. Basis der Hofwirtschaft waren die Eheleute als Arbeitspaar. Starb einer der Eheleute, wurde rasch erneut geheiratet, und Kinder wurden so jung wie möglich in die Arbeit einbezogen. Große Hofstellen und die wenigen Handwerker benötigten viele Arbeitskräfte. Wenn nur wenige arbeitsfähige Kinder vorhanden waren, mussten Mägde und Knechte beschäftigt werden, die ihrerseits zumeist aus unteren Bauern-klassen stammten. Man lebte auch in Lüdersen im rückseitig abgeteilten Wohnbereich des - für Niedersachsen charakteristischen - Hallenhauses, also mit dem Vieh unter einem Dach. Ausschließlich größere Höfe besaßen eigene Gebäude für die Altenteiler (Leibzüchterhäuser), aber nur wenige Menschen wurden sehr alt. Drei Generationen auf einem Hof gab es daher selten.