Sylvia Reckel (Text und Fotos)

Irgendwann im Frühjahr geht es im Garten plötzlich ganz schnell: Schneeglöckchen, Winterlinge und Krokusse sind verblüht, die Hochphase der Tulpen ist abgeflaut, Zugvögel wie Lerchen, Zilpzalp und vielleicht auch eine Nachtigall sind aus dem Süden zurück. In den üppigen Blüten des Frühsommers sind Insekten wie Wildbienen, Schwebfliegen und Wollschweber sowie Honigbienen, Käfer und Schmetterlinge unterwegs auf der Suche Pollen und Nektar.

Beim Pollen handelt es sich um den männlichen Blütenstaub, der für die Bestäubung der weiblichen Blütenstände und damit für die Fruchtbildung unerlässlich ist. Auf ihrer Suche von Blüte zu Blüte nach Pollen und Nektar übertragen die Insekten den an ihrem oft pelzigen Körper haftenden Pollen und sorgen so für die Bestäubung und letztendlich für die Bildung von Früchten und Samen. Dies gilt für viele Wildpflanzen, aber auch für etliche Kulturpflanzen, also für unsere Nahrungsgrundlage. Ohne Insekten kein Essen auf dem Teller!

Einige wie die Rote Mauerbiene sammeln allein den Pollen, andere machen dies in Kombination mit Nektar. Nektar ist eine Zuckerlösung, die in speziellen Organen der Blüten, den Nektarien, erzeugt wird. Insekten benötigen ihn als Powerquelle für ihren energiezehrenden Flug. Manche von ihnen wie Mauer-, Mörtel- und Scherenbienen nutzen ihn als praktischen Baustoff, nämlich als Kleister zusammen mit Lehm für ihre Brutzellen und die Verschlüsse ihrer Neströhren. Dies lässt sich gut bei den sog. Insektenhotels beobachten. Pollen und Nektar werden aber auch aufgenommen, um die junge Brut damit zu füttern.

 Rosenbluete mit Rosenkaefer Jeckel

Rosenblüte mit Gemeinem Rosenkäfer (Cetonia aurata)

Ein wunderschön grün schillernder Pollen- und Nektarkonsument ist der Gemeine Rosenkäfer (Cetonia aurata), der sich gerne in den Blüten meiner großen gelben Strauchrose der Sorte „Aicha“ niederlässt. Seine Larven findet man oft im Kompost, wo sie sich von verrottenden Pflanzenteilen ernähren. Die frühblühende, herrlich duftende Rose „Aicha“ ist sehr robust, außerordentlich frosthart und - ganz wichtig für Insekten – einfach blühend. Das heißt, es gibt nur einen oder zwei Kränze an Blütenblättern, und die pollentragenden Staubgefäße sind frei sichtbar. Bei gefüllt blühenden Rosensorten ist für die Insekten in den Blüten kein oder nur sehr wenig Pollen zu finden, da die meisten Staubblätter züchterisch zu Blütenblättern umgebildet wurden. Andere empfehlenswerte einfach blühende Rosen sind Wildrosen oder ihre Abkömmlinge wie Rosa rugosa (Kartoffelrose) Rosa gallica „Complicata“ (Provins-Rose) und Rosa glauca (Hechtrose) sowie unter den modernen ungefüllt blühenden Rosensorten beispielsweise die weiße „Jacqueline du Pré“ und die gelblich-lachsrot bis pink changierende „Mutabilis“. Diese Sorten sind weniger frosthart als die Wildrosen und stehen daher in unserem Garten vor den Ostwinden geschützt hinter dem Haus.

Im Frühsommer blühen bei uns Hunderte von Akeleien in vielen Formen und Farben. Akeleien sind bei vielen Insekten sehr geschätzt. Duft und Farbe locken sie an, aber nicht alle Insekten schaffen es, ohne weiteres an den begehrten Nektar tief im Inneren der Blütensporne zu gelangen. Sie brauchen einen ausreichend langen Rüssel dafür, wie ihn beispielsweise die Hummeln besitzen. Es sei denn, als kurzrüsseliges Insekt beißt man in frecher Weise seitlich ein Loch in den Sporn und holt sich so die Beute. Was dann oft auch weitere Nutznießer wie Honigbienen anlockt, die diese Pforte zum süßen Genuss gleich mitbenutzen. Akeleien sind wunderschön anzusehen, wirken anmutig wie leichtfüßige Tänzerinnen und samen sich immer wieder neu aus. Manchmal auch in größerer Zahl im Gemüsebeet, wo ich sie zugunsten einer reichen Ernte schnell entferne. Da fängt man doch an, über den Unkraut-Begriff nachzudenken: Sind Unkräuter bestimmte Pflanzenarten oder doch eher Pflanzen, die man an bestimmten Stellen nicht haben möchte? Wenn man diesen Begriff überhaupt benutzen möchte…

 Schuppenkopf mit Hummeln Jeckel

Großer Schuppenkopf (Cephalaria gigantea) mit Hummeln

Ausgesprochene Hummelpflanzen in unserem Garten sind im Frühsommer unter anderem Lavendel, Salbei in verschiedenen Sorten - insbesondere die dunkelviolette Hainsalbei-Sorte „Caradonna“, verschiedene Sorten Katzenminzen und der Große Schuppenkopf (Cephalaria gigantea).

Wie der Name schon sagt, wird der Große Schuppenkopf recht hoch, bis 2 Meter, und ist dadurch trotz seiner dezenten Blütenfarbe ein Hingucker. Er braucht eine sonnige bis halbschattige Lage und wächst gerne auf unserem lehmigen Boden. Nur Staunässe kann er nicht vertragen. Für die Insekten, insbesondere für Hummeln und Schmetterlinge, sind seine Blüten wie ein Magnet. Oft kann man die Hummeln gleich zu mehreren an einem Blütenstand beobachten. Manche übernachten dort auch, und man findet sie am frühen Morgen in ihrer Nahrungsquelle, noch unbeweglich durch die Kühle der Nacht. Sie schlafen also in den Blüten wie in einem Schlaraffenland.

Andere Insekten besuchen die Blüten des Borretsch (auch Gurkenkraut genannt), der bei uns im Gemüsegarten vagabundiert, die Witwenblumen (Knautia arvensis in Blau, Knautia macedonica in Weinrot) oder die verschiedenen Iris-Sorten. Ein Anziehungspunkt für Insekten ist auch die Wildpflanze Gemeiner Natternkopf (Echium vulgare), die sich in meinem Präriegarten-Beet angesiedelt hat und mit ihrem violett-blauen Farbspiel wunderschön anzusehen ist. Sie samt sich immer wieder aus und erhält sich so von selbst.

 Taglilie mit Schwebfliegen Jeckel

Taglilie (Hemerocallis, Sorte „Arctic Snow“) mit Schwebfliegen

Insbesondere Schwebfliegen „fliegen“ auf die eleganten Blüten der Taglilien, die es in vielen Sorten und Farben gibt. Schwebfliegen imitieren durch ihre gelb-schwarz gestreiften Zeichnungen am Hinterleib das Aussehen von Wespen, die bekanntermaßen einen wehrhaften Stachel besitzen. Eine raffinierte Form der Täuschung, die Fressfeinde vor dem Zuschnappen abhalten soll.

Ein ganz besonderer Gast unter den Insekten ist ab dem Frühsommer das Taubenschwänzchen, ein Schmetterling, den man wegen seines Flugverhaltens auf den ersten Blick für einen Kolibri halten könnte. Es ist jedoch ein Nachtfalter, der auch am Tag fliegt und mit seinem langen Rüssel in schwirrendem Flug Nektar aus den Roten Spornblumen in unserem Garten saugt.

Energiereichen Nektar benötigen Taubenschwänzchen in großen Mengen, quasi als Treibstoff für ihre erstaunlichen Flugkünste. Diese Schmetterlinge können mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern fliegen und in nur sechs Sekunden von null auf 70 Stundenkilometer beschleunigen. Das alles geschieht mit 60 Flügelschlägen pro Sekunde, wobei sie wie ein Hubschrauber vorwärts und rückwärts manövrieren. So schnell kann man oft gar nicht schauen und schon gar nicht fotografieren!

 Spornblume mit Taubenschwaenzchen Jeckel

Rote Spornblume (Centranthus ruber) mit Taubenschwänzchen

Taubenschwänzchen sind Wanderfalter, die wie die Zugvögel im Sommerhalbjahr aus Südeuropa und Nordafrika bis zu 2.000 Kilometer nordwärts fliegen, um sich hier zu paaren. Die Eier werden ausschließlich an Labkrautgewächsen abgelegt, wozu auch in den Beeten so unbeliebte Pflanzen wie das Kletten-Labkraut gehören. Nur an diesen Gewächsen können sich die Raupen ernähren und nach der Verpuppung zu einem ausgewachsenen Taubenschwänzchen entwickeln. Ohne Raupenpflanzen keine Raupen, und ohne Raupen keine Schmetterlinge. Ein wenig Nachsicht mit den Unkräutern, zumindest an einigen Stellen, könnte hier also helfen… Und Nachsicht auch mit ausbreitungsfreudigen Nektarpflanzen wie der Roten Spornblume, die der Falter nach seinem langen Flug aus dem Winterquartier dringend braucht, um seine Reserven wieder aufzufüllen und sich fortzupflanzen. Ich lasse sie sich an den trockenen Stellen im Garten versamen und entferne sie beim Jäten lediglich dort, wo sie überhandnehmen. Auf dass die Taubenschwänzchen immer genug Treibstoff haben!

Was hilft Insekten sonst noch, außer einer gewissen gärtnerischen Nachsichtigkeit, Nektar und Pollen spendenden Pflanzen, und vielleicht einem Insektenhotel? Auch diese Tiere haben Durst! Ganz wichtig ist für sie daher Wasser im Garten, am besten in Form einer flachen Schale, in der sie nicht ertrinken können und die regelmäßig nachgefüllt wird. So einfach und so wirksam…